Von all den Geheimnissen dieser Welt gehört das Mysterium um Öctagon zu den herausragendsten. Über die französische Skateboardcompany ist wenig bekannt, die anfangs lediglich gelabelte Schrauben verkaufte. redet jeder über Öctagon – nicht zuletzt dank wiedererkennbarem minimalistischem Design und futuristischen Videos Trotzdem. Öctagon hat die Skateboard-Welt, die, wenn man mal ehrlich ist, sich momentan am liebsten durch den kernigen VX-Filter selbst betrachtet, ganz schön aufgemischt. In Zeiten da Skateboarding vor allem mit sich selbst und seiner Vergangenheit beschäftigt zu sein scheint, zeigt Öctagon in die Zukunft. Um ein wenig Licht in das Rätsel des Achtecks zu bringen, haben deine Privatdetektive von Bonkers sich in die Matrix eingewählt und ein bisschen rumgeschnüffelt. Hier ist das, was wir im Kaninchenbau gefunden haben.
Zugegeben: Der Blick durch die achteckige Kristallkugel offenbart nicht gerade eine fröhliche Zukunft. Die Videos sind in messerscharfem HD gefilmt, was für sich schon ein Alleinstellungsmerkmal sein könnte. Aber es ist nicht so sehr die Auflösung der Bilder, die unsere Aufmerksamkeit erregt – es ist die unheimliche Kombination aus Architektur, Licht und Bewegung, die hier beeindruckt. Ausschließlich in schwarzweiß gefilmt, zeigen die Öctagon-Videos vor allem urbane Architektur: Die schwindelerregenden Kompositionen aus sich auftürmenden Wolkenkratzern, Brutalismus und gigantischen Glasfassaden sind der bedrohliche Schauplatz für das Skateboarding innerhalb der Stadtlandschaft. Im Video Perceptiön wird beispielsweise immer wieder der individuelle Skateboarder den futuristischen, aber seltsam leblosen Gebäuden entgegengesetzt. Skateboarding in der achteckigen Welt ist auch eine zweifältige Angelegenheit: Auf der einen Seite stellt es die organische Antithese zum Anorganischen. Es ist Bewegung, die den Stillstand herausfordert. Auf der anderen Seite ist Skateboarding Teil der Architektur, da es sich selbst sozusagen als Leinwand bedient – und so die Wahrnehmung des Zuschauers bezüglich der Stadt manipuliert.
Diese dialektische Art Direction korrespondiert hervorragend mit dem Öctagon-Narrativ, das die Marke weniger als Skateboardcompany und mehr als System beschreibt – und zwar als totalitäres. Das Öctagon-System ist allsehend und allwissend, ähnlich der zahllosen Überwachungskameras, die stumm alles erfassen, was sich in der Stadt bewegt. Es registriert jede Bewegung der Skateboarder, die in ihm gefangen sind. Gleichzeitig bietet es den Raum für Skateboarding, den es braucht, um in der totalitären Architektur zu überleben.
Perceptiön , eines der beliebtesten Videos von Öctagon, macht reichlich Gebrauch von Glitches, die nachträglich eingearbeitet werden. Die beabsichtigten Videofehler spiegeln das Spannungsverhältnis von dynamischem Skateboarding und statischer Architektur auf visueller Ebene. Wenn wir die kristallklaren HD-Bilder als Parallele zu den makellosen Glas- und Betonkörpern lesen, stellen die Glitches eine Störung der visuellen Perfektion dar – genau wie Skateboarding die sakrosankte Architektur, die für alles außer Skateboarding entwickelt wurde, verletzt. Wenn man noch den Soundtrack elektronischer Musik hinzunimmt, die ja ihrerseits von einer Maschine gespielt wird, verdichtet sich das Bild einer Opposition von unbewegten Artefakten und menschlicher Interaktion.
Was ist denn auch Öctagon? Es gibt keine kurze, vor allem aber keine abschließende Antwort. Wie das moderne, digitalisierte Leben, ist das Öctagon-System ein komplexes Netz aus Interaktionen: Bewegung findet im Unbewegten statt, Rebellion bekämpft Totalitarismus, der Defekt stört die Reinheit. Wie der gute alte Karl Marx mal sagte: Sein schafft Bewusstsein. Das Dasein als Skateboarder schafft eine andere Art der Wahrnehmung der Welt, welche wiederum die Handlungen in ihr bestimmt. Nirgends ist das offensichtlicher als im Octagon-System.
Im Öctagon-System gefangen sind:
- Joseph Biais (FR), Rémy Taveira (FR), Valentin Bauer (FR), Florian Merten (FR), Bram De Cleen (BE) und Yeelen Moens (BE).
Schau dir Öctagons neues Video „Meta“ mit einigen Spots aus Frankfurt und der Rhein-Main-Gegend an.
