Bevor wir uns den Gründen widmen, warum die Trainingsanzüge von Hélas gerade eine heiße Ware sind, gibt's erst mal einen kleinen Exkurs in die Soziologie (damit niemand behaupten kann, man würde beim Lesen dieses Blogs nix lernen).
Der deutsche Figuationssoziologe Norbert Elias hat mal behauptet, dass benachteiligte Schichten ihr soziales Kapital erhöhen und ergo in der Hierarchie nach oben klettern wollen, in dem sie den Habitus und die Eigenarten der höheren Schichten imitieren. In Deutschland war es beispielsweise lange zu beobachten, dass die weniger „Gebildeten“ ihrer Kinder häufig Namen wie Jacqueline oder Denise in der Hoffnung gaben, mittels der aristokratischen Konnotation, die dem Französischen anhaftet, ihre Sprösslinge sozial aufzuwerten. Im Gegenzug versuchen die Bessergestellten, auch die Bourgeoisie, diese Namen als asozial zu stigmatisieren, um sich von jenen, die vermeintlich unter ihnen stehen, weiter abzugrenzen. Selbst heute sind Namen wie Jacqueline eher mit niedrigem Einkommen und mangelhafter Ausbildung verbunden. Schade, dass es zu Elias Zeiten den Trainingsanzug noch nicht gab – sonst hätte der Soziologe die Einseitigkeit seiner Theorie wohl überdacht.
Es ist nämlich so, dass das Sich-Aneignen des Habitus einer bestimmten sozialen Schicht in beide Richtungen funktionieren kann. Ironischerweise ist es momentan gerade der Trainingsanzug, der den oben beschriebenen Mechanismus scheinbar umkehrt: Heute ist es unter gebildeten, wohl ernährten und kaufkräftigen Street-Wear-Leuten ziemlich angesagt, sich mit dem Symbol der Randständigen zu schmücken. Klar, die Faszination mit der romantisierten anderen Hälfte der Gesellschaft war schon immer stark – es ist eben total entspannt, so zu tun, als wäre man ein harter Gangster, ohne die Auswirkungen des Straßenlebens – verbundener Tod oder Knast, oder beides – wirklich fürchten zu müssen.
Aber der Trainingsanzug ist noch mal eine neue Dimension. Ein Trainingsanzug ist nicht einfach ein riesiger Kapuzenpulli, den man zu irgendeiner alten Jeans anziehen kann, und auch keine 59fifty, die man zu jedem Outfit, das nur entfernt nach Streetwear aussieht, trägt. Der Trainingsanzug, wenn er nicht zum Sport getragen wird, ist eine Lebenseinstellung. Immerhin steckt man von Kopf bis Fuß in der Uniform der Abgehängten, der Verlierer des Systems. Klar, du wirst wahrscheinlich immer noch deinen netten Sonntagsanzug anziehen müssen, wenn dich deine Eltern zwingen, Omi zu besuchen. Aber für den Rest der Woche kannst du dich als der Weed-Dealer verkleiden, der immer in dieser dunklen Seitengasse abhängt, in die du dich nie reintraust.
Und momentan ist deine beste Wahl, den Underdog-Chic zu fahren, Hélas. Das Label von Lucas Puig hat es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht, ein paar der besten Trainingsanzüge zu produzieren, die man gerade für Geld kaufen kann, komplett mit auffälligen Farben und prominentem Branding. Trainingsanzüge haben immerhin eine lange Tradition unter französischen Jugendlichen – vor allem unter jenen, die ihr Dasein in den Banlieues um Paris fristen müssen. Und das Beste ist: Du kannst den Anzug sogar zum Golfspielen mit deinem Manager-Daddy tragen. Denn wenn er dich mal wieder anschreit, wärst du der Fluch seines Lebens, siehst du wenigstens entsprechend aus.